„Serendipity ist die vom Schicksal gewährte Gunst, unerwartete Entdeckungen zu machen –
eine Gunst, die jedoch nur jene erfahren, deren Geist und Sinne dafür offenstehen.“



Projekt Serendipity

De Es interviewt Schwertberger


Schwertberger: Warum nennen Sie sich eigentlich De Es?

De Es: Warum nicht? Mein Taufscheinname ist ziemlich lang. Beim Signieren von Grafikauflagen ist das ein deutliches Handikap. Außerdem passt das nicht zu meinen Bildern. Die sind to the point, irgendwie formelhaft und dennoch sehr mysteriös. Da passt De Es viel besser.

Schwertberger: Na gut, kommen wir zur Sache. Sie haben ja schon ein ziemlich umfangreiches vielschichtiges reifes Werk geschaffen. Sie sind noch ein richtiger handfester Maler, die werden heutzutage immer seltener. Warum sind Sie nicht weltberühmt? Im Internet findet man Sie massiv, aber auf dem Kunstmarkt sind Sie fast unsichtbar.

De Es: Ein Marketingspezialist hat herausgefunden, dass es ziemlich wahrscheinlich auch daran liegt, dass ich mich De Es nenne. Das schaffe Distanz, weil ich normalkommunikative Regeln verletze.

Schwertberger: Aber bitte, in unserer provokations- und ego-lastigen Kultur sollte das eher was Positives sein! Pseudonyme und Markenkult sind doch gang und gäbe.

De Es: Denk ich auch, aber es gibt ja die anderen Gründe, die mich kommerziell benachteiligen. Ich verstoße vielfach gegen die Regeln des Kunstmarktes. Ich bin schwer einzuordnen. Gehöre weder zu einem Ismus noch zu irgendeiner hochgejubelten modischen Bewegung. Ich entwickle mich ständig. Wenn mir eine Serie von Gemälden gelungen ist, dann schlachte ich das nicht aus, sondern zieh mich ins Laboratorium zurück, um einen Schritt darüber hinaus zu gehen.

Schwertberger: Als Maler des »Phantastischen Realismus« sind Sie aber durchaus bekannt?

De Es: Das ist ja fast schon ein halbes Jahrhundert her! Sicherlich, dort komm ich her, dort hab ich mein Handwerk gelernt, inzwischen habe ich mich mehrfach deutlich gehäutet. Sogar meine »Steinperiode« sehe ich nicht als »phantastisch«. Die Phantasie fügt dem Welträtsel immer neue Vorstellungsmassen hinzu. Ich will eher das Gegenteil, die überwältigende Fülle der Lebens-Eindrücke und Lebens-Bilder, das sogenannte »Lebensganze« durchleuchten und Wesentliches sichtbar machen, Grundstrukturen aufdecken. Dazu muss ich mir selber auf den Grund gehen.

Schwertberger: Wollen das nicht alle Künstler auf irgendeine persönliche Art und Weise?

De Es: Schon, aber ich habe mich besonders auf diese Haltung spezialisiert. Ich male nicht um den Brei herum und ich kokettiere auch nicht mit dem, was sich schon etabliert hat. Ich mache keine Referenzen zu schon Bekanntem. Ich möchte auch keine gängigen Themen übernehmen. Ich male keine Stillleben, keine Porträts, keine nackten Körper. Nichts, was man besser fotografieren könnte, keine abstrakte oder Action-Malerei, keine ausschweifenden Phantasien oder esoterische Symbolik, nichts Dekoratives, keine Minimalismen, nichts Gesellschaftskritisches, Modisches, Schockierendes, Provozierendes, dennoch male ich immer noch.

Schwertberger: Bitte was bleibt da noch übrig? Das klingt nach dünner Luft, nach einsamer, schwer verständlicher Eigenbrötlerei.

De Es: Ganz im Gegenteil, da bleibt ganz schön viel übrig... die Tiefe unter der Oberfläche, das Feine unter dem Groben, das Beständige über dem Vergänglichen. Der Ewige Geist über dem Geist der Zeit.

Schwertberger: Jetzt werden Sie aber pathetisch. Kennen Sie die Philosophie von Ken Wilber? Die Moderne und Postmoderne hat die Weltanschauung auf Flachland reduziert, der subjektive Kosmos wurde vom objektiven plattgewalzt, der Triumph des Außen über das Innen, der Materie über die Seele, der Verlust der Tiefe... Sie scheinen ein »Integraler Künstler« zu sein.

De Es: Ja, die Tiefe, die fehlt in vielen zeitgenössischen Bildern, die man so sieht, das ist so quälend flach und auf den ersten Blick durchschaut, wird sofort langweilig. Das Gleichgewicht von Innen und Außen ist abhanden gekommen. Gleichgewicht ist das Um und Auf der Kunst. Heute spielt sich alles nur im Kopf und in den Sinnen ab, die Seele bleibt unberührt. Primär geht's bei mir darum, innere Räume wieder zu öffnen, Tiefe zur Geltung zu bringen durch eine räumlich präzise Malerei. Vielleicht ist das meine Botschaft: Bitte nehmt euch Zeit fürs Schauen, das Bild ist eine Öffnung in die eigene Selbst-Tiefe. Im Inneren ist das Leben. Das Licht bei mir ist das innere Licht.

Schwertberger: Kunst also als Meditation? Oder wie würden Sie sich sonst positionieren?

De Es: Sicher ist Kunst für mich Meditation, aber nicht nur. Ich sitze zwischen allen Stühlen. Das ist der Preis für integrale Harmonie. Ich passe in keine Schublade, ich bin die Kommode. Ich verweigere die Identifikation mit einem Teilaspekt. Ich geh aufs Ganze. Erfolg ohne Erleuchtung ist kein ausgewogener Zustand. Daran leidet die Kunst. Daran leidet die Welt.

Schwertberger: Für Sie brauchen wir einen besonderen Stuhl, alle Stühle in einem sozusagen und eine Kommode ohne Laden.

De Es: (lacht) Lässt sich sicher machen mit den heutigen Mitteln der Nanotechnologie und Biogenetik, ich bin sehr optimistisch,
es entwickelt sich ja alles unheimlich rasch. Antigravitation könnte auch bald Realität sein, dann bedarf es eines Stuhles auch nicht mehr, dann heb ich einfach ab...

Schwertberger: (lacht) Kommen wir zurück auf den Boden der Wirklichkeit. Es heißt doch immer wieder, die Malerei ist am Ende, dann doch wieder nicht, alles schon dagewesen usw., Bilder mit nichts drauf, Bilder vollgeräumt mit allem Erdenklichen und Undenkbarem, Mischformen aus allen alten und neuen Medien, alle Tabus gebrochen, sehen Sie einen Weg aus der postapokalyptischen Beliebigkeit?

De Es: Sicherlich wird es immer schwieriger, echte Steigerungen und Bildverdichtungen zu entwickeln, welche den Forderungen der Hohen Kunst nach Originalität und Sinnhaftigkeit genügen können, wenn nur mehr Marktmechanismen regieren. Aber demgegenüber sehe ich auch, wie planetarische Bewusstseins-Ströme unbeirrt neue Maßstäbe setzen für das, was der Mensch wirklich braucht, für eine Kunst, die wir wirklich brauchen.

Schwertberger: Was meinen Sie mit »planetarisch«, ist das ein Synonym zu »global«?

De Es: Eben nicht. Ein Globus ist eine Hohlkugel mit einer dünnen Außenhaut, ist mentale Oberflächlichkeit. Der Planet hingegen umfasst auch das Innere, ist ein Ganzes. Die Richtung ist vorgegeben. Nach dem Zeitalter der Globalisierung kommt das Planetarische Zeitalter. Es hat schon längst begonnen. Planetarische Kunst existiert schon, sie geht nur im Bildermeer unter.

Schwertberger: Darf ich Museen vorschlagen für Planetarische Kunst. Errichtet auf den wenigen Inseln im Bildermeer?

De Es: Das Bildermeer braucht dringend eine Kläranlage, eine Wiederaufbereitungsanlage bildhafter Grundnahrung.

Schwertberger: Das klingt gefährlich, Terrorattacken auf die neuen Tempel der Kunst... da steig ich aus. Ich geh jetzt und schau mir mal Ihre Bilder genauer an. Vielleicht klärt sich was. Jedenfalls bedanke ich mich für das Gespräch.

De Es: Ich mich auch.